Oben: Die beiden Titelseiten zu "Wiedergänger", geschaffen von
Stavros Dilios. Zum Vergrößern auf
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Oben: Die vier doppelseitigen Farbcollagen zu "Wiedergänger", geschaffen von Stavros Dilios. Zum Vergrößern Illustrationen anklicken.
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Die Rollenspielzeitschrift 252-NEWS
mit der Original-Story "Schattenpark".





Ausgabe 34 des SF-Magazins ALIEN CONTACT mit der Erstveröffentlichung von "Wiedergänger".




Frontcover der chinesischen
SF-Anthologie.





Ausgabe 27 des französischen
SF-Magazins GALAXIES.







Oben: Ausgabe 146 und 147 des griechischen Comicmagazins 9 (Eleftherotypia).

 

Für einen Autor sind Übersetzungen seiner Texte in andere Sprachen immer etwas Besonderes. Umso exotischer die Sprache, desto besser. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Romane oder "nur" um Kurzgeschichten handelt, die übersetzt werden. "Wiedergänger" ist eine dieser Kurzgeschichten, die es mittlerweile zu internationalen Ehren gebracht haben - das Prequel zu meinem Roman "Lord Gamma" und ein erster humorvoller Streifzug durch die Welt des BRAS.

Die Story verweist auf den bekannten Fantasy-Autor Jonathan Carroll, schrieb Thomas Hofmann in seiner Rezension für das Online-Magazin SOLAR X. Marraks Traumwelt heißt BRAS (eine Kurzform für Bioresearch Altosphere) und erinnert ein wenig an die des Vorbildes. Der Stil ist entsprechend leicht, relaxt und unaufdringlich witzig. Die skurrilen, Figuren, wie zum Beispiel die sprechende Katze, haben quasi eine philosophische Daseinsberechtigung. Ein marrak'sches Grundthema wird auch wieder aufgegriffen: Das Normale scheint verrückt; das Verrückte der Normalzustand zu sein.

Wie bei Marrak häufig der Fall, ist auch diese Phantasiewelt artifiziell, wobei unklar bleibt, was zuerst da war, das künstliche Konstrukt, oder dessen Inhalt. Das BRAS ist eine Experimentalanordnung, die ein Eigenleben entwickelt, das sich auch bestimmten Kontrollmechanismen entzieht. In diese Welt wird der Wiedergänger und Ich-Erzähler der Story geworfen. Er soll sich hier, als Mensch aus einer alten und dem Materiellen verpflichteten Welt in dieser eher vergeistigen Umgebung zurechtfinden. Er muss lernen, seinen Willen, seinen Verstand und seine Vorstellungskraft zu nutzen; hier versetzt der Glaube wortwörtlich Berge.

Wie viele wissen, bin ich nicht nur Schriftsteller, sondern auch Grafiker und Illustrator. Das macht mich anfällig für Comics, illustrierte Erzählungen und all die vielen bunten Bildchen in Magazinen ... Und es ist mit ein Grund, weshalb ich dieses Special eingerichtet habe.

Nachdem "Wiedergänger" bereits ins Chinesische und Französische übersetzt wurde, erschien im April 2003 - völlig überraschend - eine griechische Version der Story in der Tageszeitung Eleftherotypia (der zweitgrößten Tageszeitung des Landes). Die Information meines Agenten, die Geschichte wäre nicht in der Zeitung selbst abgedruckt worden, sondern in der Mittwochs-Beilage, einem Comic- und Story-Magazin mit dem schlichten Namen "9", machte mich sehr hellhörig.

Zu den Haupterwartungen eines Schriftstellers (zumindest zu meinen) gehört eine gelungene Präsentation des Geschriebenen. Besser noch: Eine kongeniale Symbiose aus Wort und Bild. Die Bastei-Lübbe-Taschenbuchausgabe von "Imagon" beispielsweise wird gegenüber der Hardcoverausgabe zehn bis zwölf S/W-Illustrationen enthalten. Ich liebe bebilderte Geschichten - vor allem illustrierte Kurzgeschichten in Magazinen.

Eine Storypräsentation in einem griechischen Comicmagazin klingt entweder a) nach sehr viel buntem Kitsch, oder b) nach einer Augenweide. Ich selbst hatte anfangs keinen greifbaren Beweis für eine derartige Übersetzung, und mein Agent, den die Verleger erst sechs Wochen nach Erscheinen informierten, wusste anfangs auch nicht recht, was es mit der Veröffentlichung nun eigentlich auf sich hat. Jedenfalls baten die Griechen vielmals um Entschuldigung, dass sie erst so spät Bescheid gaben, usw., derweil mein Agent sich bemühte, zumindest noch das fällige Honorar einzutreiben. Als die Beleg-Exemplare mit zweimonatiger Verspätung schließlich bei mir eintrafen, war mein erster Eindruck: WOW! Die Herausgeber hatten "Wiedergänger" in zwei Magazine aufgesplittet und in jeder Ausgabe (und auf jeder Seite!) vierfarbig illustrieren lassen. Eine traumhafte Storypräsentation und ein wahres Kleinod in der Sammlung. Das beste an der Sache: Eleftherotypia möchte unbedingt mehr von mir veröffentlichen. Fein, fein, fein!

Aber zurück zu den Anfängen: Die Originalversion von "Wiedergänger", entstanden aus einigen Parts meines (zum Glück in seiner ursprünglichen Form) nie erschienenen Romans "Schattenpark", wurde im Mai 1999 in der Nr. 34 des SF-Magazins Alien Contact veröffentlicht. Der auseinandergepflückte "Schattenpark" stand noch für manch anderen Text Pate, wie etwa "Babalon" und "Ebenen" aus "Lord Gamma". Im Grunde bestehen "Wiedergänger" und "Lord Gamma" zur Hälfte aus "Schattenpark".

Eine illustrierte Kurzgeschichte gleichen Namens, aus der später der Roman "Schattenpark" entstand, erschien 1994 im Rollenspiel-Magazin 252-News. Gerhard Junker zeichnete damals die Illustrationen, von denen einige (teils in Ausschnitten) auch heute noch für "Wiedergänger" benutzt werden könnten.

Im Jahr 2000 schließlich wurde "Wiedergänger" als beste SF-Erzählung des Jahres 1999 mit dem Deutschen Science Fiction Preis und dem Deutschen Phantastik Preis ausgezeichnet. Das BRAS begann langsam zu wachsen ...

Wenige Monate später, im August 2000, erschien "Wiedergänger" gemeinsam mit "Astrosapiens" in chinesischer Übersetzung. Kurioser Weise, muss ich hinzufügen, denn es handelte sich dabei um nicht mehr und nicht weniger als um meine ersten in einer Fremdsprache veröffentlichten Storys. Mitte 1999 erhielt ich eine E-Mail aus China, in der ein gewisser Shiliang Da anfragte, ob eine oder zwei meiner Erzählungen ins Chinesische übersetzt werden dürften, und ich staunte nicht schlecht. Was ich zuerst für den Gag eines Freundes hielt, der mich aus dem Urlaub verarschen will, entpuppte sich recht bald als echter Chinese aus Shanghai, der einst in Deutschland studiert hatte und tatsächlich diese Absicht verfolgte. Auf meine Anfrage nach dem Titel der Anthologie schrieb mir der chinesische Herausgeber nach deren Veröffentlichung in leicht gebrochenem Deutsch: "Der Titel des Buches ist Rätsel von der Weltraumlöcher ..." Es war leider auch das letzte, was ich je von ihm hörte. Nun, ich überlasse es den Lesern, diesen Versuch einer Übersetzung zu interpretieren. Keine Ahnung, was er mit Weltraumlöchern meint. Schwarze Löcher? Wurmlöcher?

Alles egal, ich wurde in China veröffentlicht - ein Jahr vor Harry Potter! Interessanter Weise wollte der Herausgeber "Wiedergänger" zuerst gar nicht übersetzen, da der kriegskritische Unterton der Story "nicht geeignet für die chinesischen Leser sei". Er bat um eine Ersatzgeschichte und wünschte mir wie in jeder E-Mail "viel Glück im Leben". Ich hatte keine Ersatzgeschichte. Und ich bin sicher, der Herausgeber (und seines Zeichens auch Übersetzer) hat den Text für das chinesische Volk um ein paar Passagen gekürzt und ein wenig modifiziert. Man bräuchte einen weiteren Chinesen, der die Geschichte wieder ins Deutsche übersetzt. Mich würde brennend interessieren, wie viel sie dann noch mit dem Original gemein hat. Sic.

Und das Buch selbst? Quietschig ist's geworden. Illustrationen gibt's keine, doch die chinesische Schrift ist Illustration genug. Lesen kann ich lediglich die Seitenzahlen und mein Geburtsdatum. Damals fühlte ich mich, als hätte ich meine Geschichten auf einem anderen Planeten veröffentlicht! Aber was soll's ... Immerhin leben in China eine Milliarde potentieller Leser.

Ende 2002 erschien in der Nr. 27 des renommierten französischen SF-Taschenbuchmagazins Galaxies eine Übersetzung von "Wiedergänger" unter dem Titel "Re-Venants" (zu deutsch: "Gespenster"). Ursprünglich sollte die Geschichte bereits im Oktober 2001 veröffentlicht werden, doch eine Kette von unglücklichen Umständen (besser gesagt: einem amateurhaften Übersetzerinnen-Gespann) verschoben das Erscheinen von Ausgabe zu Ausgabe. Offiziell hieß es, die Herausgeber wollten mit der Veröffentlichung warten, bis der Termin für die französische "Lord Gamma"-Übersetzung feststeht und nicht zuviel Zeit bis dahin vergeht.

Die Galaxies-Version hielt dann leider auch das, was ich befürchtet hatte: Die Übersetzerinnen hatten den Text - wohl, um ihn besser übersetzen zu können - völlig auseinandergerissen. In der Printversion folgt nach fast jedem Satz ein Absatz mit Leerzeile, und hin und wieder sind in Klammern stehende Zusatzinformationen für die Co-Übersetzerin übrig geblieben. Illustrationen sucht man in diesem Text ebenfalls vergebens.

Aber vielleicht lag es ja in Wahrheit an der Tücke des Objekts, das sich die französische Übersetzung im Bücherregal verstecken muss. Zumindest, wenn man der Laudatio zu "Wiedergänger" glauben schenken darf, mit der ich dieses Special (vorläufig) schließen möchte. Florian Breitsameter schrieb anlässlich der Verleihung des Deutschen Science Fiction Preises 1999:

Der Inhalt von "Wiedergänger" ist schwer in Worte zu fassen. Probieren wir es trotzdem.

Was passiert, wenn man einen ehemaligen Soldaten des 21. Jahrhunderts plötzlich einer virtuellen Welt aussetzt? Natürlich gibt es Probleme. Denn eine Welt, die an Lewis Carrolls "Alice im Wunderland" erinnert, ist für ihn zumindest eine ziemlich ungewohnte Umgebung. Und mit diplomatischen Missionen ist er als Krieger auch nicht gerade sehr vertraut.

Das BRAS, zu dem er im Auftrag der Menschheit Kontakt aufnehmen soll, ist eine Art Seelenspeicher, eine Sphäre voll schöpferischer Persönlichkeiten und Koryphäen und damit in seiner virtuellen Erscheinungsform eine bunte Wunderwelt voller Märchengestalten und unbekannten Gefahren. Nun soll auch das militärische Wissen dieses Ideensilos genutzt werden, doch unser Held hat Probleme sich mit der Tatsache abzufinden, dass er hilflos der Willkür des BRAS ausgeliefert ist.

Bei "Wiedergänger" ist Michael Marrak mit einer gehörigen Portion Spaß und Fabulierlust ans Werk gegangen, und herausgekommen ist eine Geschichte, die zwischen Phantastik und Science Fiction zu schweben scheint. Die Welt bleibt zu unverstanden, um rational genug für die SF zu sein und ist doch zu sehr auf bekannten Elementen aufgebaut, um dem Gedanken der Phantastik zu entsprechen. Und so ist es eine Erzählung, die aus dem Augenblick heraus lebt. Während der Lektüre wird der Leser in eine geheimnisvolle Ideenwelt entführt, deren Grundlage und Prinzip er wie der Held auch nicht verstehen kann. Und doch landet er schlussendlich wieder sanft auf dem Boden der vermeintlichen Realität mit der Erinnerung an ein mysteriöses Abenteuer in einer Welt hinter dem Spiegel ...