PANORAMA September - Dezember 2003


 

24. Dezember 2003


Eigentlich hatte ich geplant, mit dem ersten Teil von ABYDOS bis Jahresende fertig zu sein, doch fünfzig Seiten vor Schluss siegte die Ungeduld: Seit knapp einer Woche spiele ich URU, den vierten Teil der MYST-Reihe. Endlich wieder knifflige Rätsel und tagelanges Umherwandern über einsame, verschlungene Pfade und durch wundervoll surreale Landschaften. Da vergisst man recht schnell alle guten Vorsätze - und auch die Festtage. Nicht, dass mich letzteres beunruhigt. Als bekennender Weihnachtshasser verkörpere ich wahrscheinlich den missing link zwischen Ebeneezer Scrooge und dem Grinch.

So habe ich mich auch erst in letzter Minute überreden lassen, die Festtage und den Jahreswechsel wieder im Süden Deutschlands zu verbringen. Nun sitze ich hier in einem 400-Seelen-Dorf irgendwo zwischen Südschwarzwald und Donauversickerung, lasse den lieben Gott einen guten Mann sein und überlege, wie ich heute Abend das buchstäbliche NICHTS am effektvollsten in Geschenkpapier einpacken könnte.

Um nicht gänzlich vom schlechten Gewissen übermannt zu werden, habe ich ABYDOS im Gepäck, um jeden Tag ein paar Seiten zu schreiben (Wunschdenken!) ... und natürlich auch URU. Bisher steht es an "Arbeitstagen" erwartungsgemäß 3:0 für das Spiel. Draußen liegt zudem tatsächlich Schnee, und das Thermometer zeigt minus 19 Grad Celsius. Würde ich an IMAGON arbeiten, könnte ich die klimatischen Bedingungen zu Recherchezwecken nutzen, doch ABYDOS ist alles andere als "untertemperiert". Im Gegenteil: Wüste, Sand, tropische Hitze, viel Feuer und ein paar Malebolgen ...

In diesem Sinne: Ein frohes Fest, geruhsame Feiertage und einen guten Rutsch ins Jahr 2004!

 

13. Dezember 2003


Die IMAGON-Galerie ist fertig! Seit heute kann man auf der IMAGON-Seite unter dem Menüpunkt ILLUSTRATIONEN alle dreizehn Grafiken von Dirk Berger bewundern, vervollständigt durch die jeweiligen Textpassagen aus dem Roman. Ein Hinweis für alle Modem-Benutzer: Die Bildgrößen der Großansichten liegen zwischen 100 und 150 KB, was zu Verzögerungen beim Bildaufbau führen kann.

Aus gegebenem Anlass möchte ich noch ein wenig im Cthulhu-Mythos verweilen. Kennt jemand dieses absolut drollige Musical namens A SHOGGOTH ON THE ROOF? Ein Bühnenwerk, über das zu lesen ist: This is the musical that destroyed the Other Gods theatre company 23 years ago. This is the only musical that dares put Great Cthulhu himself on stage for a number! Nun, mittlerweile existiert ein Cast-Album, und bereits die Songtitel wie Arkham Dunwich, Shoggoth Prayer, The Nightmare, Do You Fear Me oder Miskatonic klingen wie Musik in den Ohren. Wer aber denkt, es dröhne nun der Ton gewordene Horror aus den Boxen, die Hi-Fi-Anlage bekomme schleimige Auswüchse und über kurz oder lang ende alles wie in Evil Dead, der irrt.

Hier die Links zu zwei kurzen Song-Auszügen, Tentacles (1Mb) und Byakhee Byakhee (632k). Kann man gefahrlos öffnen bzw. runterladen, ehrlich. Über den Link im vorherigen Absatz kommt man auch auf die Homepage, auf der man sich alle übrigen Songs anspielen lassen kann. Und nicht vergessen: There are some things man was not meant to adapt to musical theatre ...

Ach ja, apropos Cthulhu: Wir wissen ja, dass die meisten Horror begeisterten Amerikaner ein wenig bluna sind, aber wer schon früh morgens den Shoggothen in den Tank packen will, der braucht Myth Os!

 

9. Dezember 2003


Ein Kurzurlaub ist eine feine Sache. Danach steht man jedoch wieder vor dem Berg liegengelassener Arbeit, der schreit: Kümmer mich, kümmer mich! Eine Woche später, Montag früh gegen 7:30 Uhr, nach einer letzten durchgearbeiteten Nacht und dementsprechend miserabler Laune, hatte ich es schließlich geschafft: Die CD mit dem überarbeiteten, komplett durchkorrigierten Manuskript für die IMAGON-Taschenbuchausgabe und den dreizehn Innenillustrationen war gebrannt und versandfertig - eine Woche später als vom Verlag gewünscht, aber fertig.

In den NEWS kann man bereits einen ersten Blick auf das neue Cover werfen, selbst wenn es sich bei der dortigen Abbildung noch um ein (spiegelverkehrtes) Provisorium handelt und der KLP-Aufkleber den halben Shoggothen verdeckt ... Es ist also fast das selbe Motiv wie früher, nur ein bisschen bunter.

Was ändert sich sonst noch gegenüber der Hardcover-Ausgabe? Im Wesentlichen drei Dinge: Zum einen habe ich mich entschlossen, einen kurzen Prolog, den ich ursprünglich bereits für die Festa-Ausgabe geplant und seitdem in Fragmenten vorliegen hatte, fürs Taschenbuch doch noch zu realisieren. Anderthalb Jahre lang trug ich die Idee dazu mit mit herum, und sie ließ mich einfach nicht los ...

Zweitens: Die Anfang des Jahres im Interview mit Literaturschock angesprochenen Textkürzungen. Nun, genau genommen ist das Buch nicht wirklich kürzer geworden, sondern im entsprechenden Teil lediglich lesbarer. Zwar habe ich tatsächlich überflüssige Parts wie die Anspielungen auf Lovecraft und diverse unnötig ausschweifende Überrecherchen gelöscht, ebenso (und ganz besonders) den verqueren Taaloq-Mythos, der von mir rigoros umgeschrieben und zusammengestichen wurde. Gleichzeitig entstanden in diesem Kapitel einige neue Parts, die den Sachverhalt nun besser beleuchten. Zusammen mit dem Prolog ist der Text daher wieder genauso umfangreich wie zuvor.

Und last but not least: Die Taschenbuchausgabe enthält dreizehn s/w-Illustrationen von Dirk Berger. Gegen Ende ist es nochmal etwas eng geworden mit der Terminplanung, aber Dirk hat es geschafft und phantastische Bilder abgeliefert. Sobald ich die Zeit finde, eine entsprechende Seite einzurichten, werde ich die Illustrationen hier (besser gesagt auf der IMAGON-Seite) präsentieren.

Zum Schluss noch etwas in eigener Sache: Leider gestalte und betreibe ich diese Homepage (nach einem einwöchigen learning by doing-Crashkurs in HTML) seit Mitte August allein, da mein bisheriger Webmaster aufgrund zeitlicher Engpässe kürzer treten musste - vorübergehend, wie ich hoffe. Falls also seit September irgendwo ein Link nicht funktioniert, etwas nicht ganz fertig aussieht oder sonst irgendwelche Zipperlein auftreten, liegt das schlichtweg daran, dass ich a) noch kein HTML-Crack bin, und b) einfach keine Zeit finde, mich darum zu kümmern. Vielen Dank für das Verständnis.

 

30. November 2003



Ende November bei Windstärke 10 und Regen auf den Gipfel des Beinn Dhub zu steigen, ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Grenzerfahrung. Selbst die Schafe liegen ab einer bestimmten Höhe in windgeschützten Erdgruben, weil ihnen das Wetter zu heftig ist. Klettert man gegen den Wind, ist die Luft vor dem Gesicht wie ein Eiskissen, das einen kaum atmen lässt. Öffnet man den Mund, heult der Sturm in die Mundhöhle wie über einen Flaschenhals, und bewegt man dabei die Lippen, bringt das sogar eine (äußerst geisterhafte) Melodie hervor. Mit dem richtigen Gestänge und einer stabilen Schnur hätte man sogar Schafe steigen lassen können ... Selten habe ich dieses Jahr etwas so genossen wie diesen einsamen Aufstieg - und nie zuvor war ich so durchnässt.

Ausgerechnet dort oben, beim Blick auf den Loch Lomond, musste ich an den Saturn denken; an ein imaginäres Bild, das mich fasziniert, seit die Voyager-Sonden den Gasriesen vor über zwanzig Jahren passiert hatten. Ein Bild, aus dem ich schon damals unbedingt eine Kurzgeschichte machen wollte. Denn die Theorie besagt: Gäbe es einen irdischen Ozean, der groß genug wäre, würde Saturn darin schwimmen. Von allen Planeten des Sonnensystems ist er der mit der geringsten Dichte. Damals wie heute ist für mich der gigantische, schwimmende Saturn eine faszinierende Vorstellung.

Nun, wenn es etwas gibt, das einen derart immensen Ozean zu schaffen vermag, dann ist es zweifellos schottischer Regen. Man sagt, Glaswegians (die Einwohner Glasgows) kennen ebenso viele Wörter für Regen wie die Inuit für Schnee - also bestenfalls neunundvierzig. Ich möchte es gerne glauben, aber so schön das auch klingt, letzteres ist leider nur eine Legende. Selbst Peter Høeg hat sich für "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" an ihr bedient. Entgegen einer weitverbreiteten Ansicht besitzen die Eskimos nämlich nicht mehr Wörter für Schnee als Sprecher des Englischen oder Deutschen. Sie kennen weder vierhundert, wie schwarz und weiß behauptet wird, noch zweihundert, noch hundert, noch neunundvierzig - ja nicht einmal zehn Wörter für Schnee. In einem Wörterbuch ist von zwei Wörtern die Rede; zählt man großzügig, so finden Experten ungefähr ein Dutzend.

Die Legende der neunundvierzig Schneenamen basiert auf der Sapir-Whorf-Hypothese. (Bei dem Namen Whorf jetzt bitte nicht an den klingonischen Stiernacken aus Star Trek denken.) Der amerikanische Linguist und Anthropologe Edward Sapir (1884-1939) und sein Schüler Benjamin Lee Whorf formulierten eine These über das Verhältnis von Sprache und Denken, die bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts sehr einflussreich war.

Die Sapir-Whorf-Hypothese besagt, dass die Sprache unser Denken bestimmt und die Art und Weise des Denkens und des Wahrnehmens der Wirklichkeit jedem Individuum vom gegebenen Sprachsystem aufgezwungen werde. Die in einer Sprache kodierten Unterscheidungen seien demzufolge in keiner anderen Sprache auffindbar. Das Individuum beschreibt und interpretiert die Natur in einer Art und Weise, die durch das jeweilige Sprachsystem vorgegeben wird. Somit präsentiert sich die Welt in einem kaleidoskopartigen Strom von Eindrücken, der durch unseren Geist organisiert werden muss. Wir gliedern die Natur auf, organisieren sie in Begriffen und schreiben ihnen Bedeutungen zu. So entstanden laut Sapir-Whorf die Inuit-Wörter für Schnee - und all unsere Begriffe für Regen, Luft, Wasser, usw.

In der Hopi-Sprache beispielsweise gibt es laut Sapir-Whorf kein Konzept von Zeit als einer Dimension. Hopi enthält keine Wörter, grammatischen Formen, Konstruktionen oder Ausdrücke, die sich direkt auf das beziehen, was wir Zeit nennen. Sie beziehen sich auch weder auf Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft noch auf Dauern oder Bleiben, obwohl dieses Naturvolk Zeit im Überfluss besitzt.

Es ist jedoch ein Trugschluss, das Menschen für ein Medium, das in ihrem Umfeld in Hülle und Fülle existiert, unweigerlich zahllose Begriffe kennen (müssen). Die Menschen in der Sahara besitzen keine fünfzig Namen für Sand. Warum auch? Sand ist schlicht Sand, nicht mehr und nicht weniger. Und auch der Eindruck, die Hopi würden ihr gesamtes Leben im Hier und Jetzt verbringen, täuscht: Sapir und Whorf hatten lediglich schlecht recherchiert. Die Sprache dieser Indianer besitzt zwar keine Zeitformen vergleichbar mit denen im Deutschen oder Englischen, doch kann man auch in Hopi über verschiedene Zeitspannen sprechen; vom Standpunkt des Sprechers aus.

Was, zum Teufel, hat das eigentlich alles mit dem Regen zu tun?, wird sich inzwischen manch einer fragen. Nun, erklären Sie die Sapir-Whorf-Theorie mal einem trinkfesten Schotten, der stolz darauf ist, ein Dutzend Arten von Regen zu kennen, während sie als einziger Deutscher im Pub sitzen, Ihre nassen Klamotten am Kaminfeuer trocken und sein Fußballclub gerade gegen eine deutsche Mannschaft verliert ...

 

19. November 2003


Alles, was einen Anfang hat, hat auch ein Ende. Sogar Vertragsverhandlungen. Heute unterzeichnete ich die Verträge für die kommenden Buchprojekte bis einschließlich 2006. Dabei kann ich noch nicht einmal sagen, ob in diesem Zeitraum zwei oder drei neue Romane erscheinen werden. Sicher ist, dass ABYDOS sehr umfangreich werden wird und von mir von vornherein als Zweiteiler konzipiert wird. Daher enthält einer der beiden Verträge eine If opted for-Klausel, mit der sich der Verlag vorbehalten kann, das Manuskript im Falle eines Falles zu splitten und zwei Bücher daraus zu machen - was ganz in meinem Sinne wäre. Insgeheim liebäugle ich für die fernere Zukunft nämlich noch mit einem dritten Teil ...

Wie einige Leser bereits vermutet haben, sind ABYDOS und GAIA reine Tarntitel, die von den eigentlichen Projekten ablenken sollen. Man sehe es mir nach, das ich in einer so frühen Phase der Entstehung vorerst keine näheren Angaben über die Romane mache. Sobald der erste neue Titel im Prospekt des Lübbe-Verlages gelistet wird, werde ich mehr über ABYDOS verraten.

Mittlerweile sind auch elf der zwölf IMAGON-Innenillustrationen fertig. Falls Dirk einverstanden ist, werde ich die Bilder demnächst online stellen. Ich fürchte nämlich, das der Druck im Taschenbuch (zumal gerastert) einiges von den teils phantastischen Details und Kontrasten der Illustrationen verschlucken wird. Bei der Auswahl der Motive haben Dirk und ich versucht, dem Leser nicht zuviel von seiner Phantasie zu nehmen, aber es gab natürlich einige symbolträchtige Bilder, die einfach illustriert werden mussten.

Nun geht es morgen endlich in den wohlverdienten Urlaub. Zehn Tage lang werde ich durch die Buchantiquariate und Pubs von Glasgow tingeln, die Highlands durchstreifen und am Firth of Clyde entspannen. Zudem gibt es für mich noch eine "interessante" Premiere, für die ich mir bereits Mega-Baldriantabletten besorgt habe: Ich fliege. In einem Flugzeug. Und zwar zum ersten Mal. Soll heißen: Ich bin heißer Anwärter auf das Das-Flugzeug-fliegt-und-ich-sitz-drin-Syndrom. O, weh mir ...

 

8. November 2003


Mir war wirklich etwas mulmig zumute, wie "Lord Gamma" in Frankreich von der Kritik aufgenommen werden würde. Von ihr hing es im Großen und Ganzen ab, ob zukünftig weitere meiner Romane übersetzt werden oder nicht. Hierzulande kennt man meinen Stil und meine Schreibe seit Jahren und konnte sich sukzessive an sie gewöhnen. Frankreich bekam mit "Lord Gamma" von einem Tag auf den anderen die volle Packung serviert. So beginnen auch fast alle Rezensionen mit der Bemerkung, das "Gamma" der erste übersetzte Roman "eines in Frankreich bisher so gut wie unbekannten Deutschen" sei.

Tja, und sonst? Zugegeben, mein Französisch beschränkt sich auf zehn Umgangsfloskeln und bestenfalls fünf derbe Flüche. Also habe ich a) alle Besprechungen zum Übersetzen an meine Freundin geschickt, und b) die Texte spaßeshalber auch von Babelfisch übersetzen lassen.

Zu A: Die Rezensionen sind sehr positiv, aber auch teilweise so abgehoben, dass ich mich vorerst zurückhalte, Details aufzulisten, ehe mir nicht die vollständig übersetzten Texte vorliegen.

Zu B: Ja, es ist immer wieder lustig mit meiner Lieblingsübersetzungsmaschine, frei nach dem Motto: Und wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt von Babelfisch ein Lichtlein her ... Statt der Original-Bauchpinseleien und Lobeshymnen der französischen Kritiker daher ein maschinell übersetzter Auszug aus einer der Inhaltsangaben: "Stan rollt zu lang zum Lenkrad eines mit aufklappbarem Dach vorsintflutlich auf Straße, die sich fortwährend im Abhang befindet, wo die Zeit auf ewig erstarrt, sich vor der Sonne hinzulegen. Eine Straße, die eine geräuschlose Wüste durchquert, wo kein Wind bläst, wo kein Steppenwolf schreit, nur buschige, schwer tödliche Tierchen von Roboter wie riesige Krabben."

Und abschließend ein (von Babelfisch übersetztes) Resümee: "Lord Gamma ist ehrgeizig und originell genug, um die genügend kosmischen und wunderbar blasierten Leser zu verführen, außerirdisch genug, um den Amateuren der Space Opera zu gefallen, und komplex und streng genug, um auch die Partisanen der harten Wissenschaft zufrieden zu stellen."

Wohlan, ihr Partisanen, der Fisch hat gesprochen!

 

7. November 2003


Ich fasse mich kurz: In den vergangenen sieben Tagen ist nicht viel passiert. Es gibt kaum nennenswerte Neuigkeiten, und seit dem 115-Seiten-Marathon habe ich auch keine einzige Zeile geschrieben. Mal für eine Woche eine Auszeit nehmen, keinen Finger krumm machen, die Seele baumeln lassen. Passend dazu herrscht draußen Krähenwetter: Grau, nebelig, windig, trüb ...

Seit Mittwoch beherrscht die Diskussion um MATRIX 3 die Medien. Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass ein heimlicher Wettbewerb läuft, welcher Rezensent denn die coolste Negativ-Rezi zum Film zustande bringt. Was diese Verbal-Akrobaten teilweise für literarische Verrenkungen abliefern, ist hochgradig peinlich. Dabei scheinen die Kritiken nicht einmal die Meinung der Rezensenten widerzuspiegeln; im Gegenteil, man gewinnt fast den Eindruck, als seien die Schreiber für ihre Verrisse bezahlt worden. Vor allem, da viele von ihnen mehr am coolen Pauschalisieren interessiert zu sein scheinen als an wirklicher Meinung. So ereifert sich beispielsweise der Kritiker auf SPIEGEL-Online über MATRIX Teil 2: "Reichlich Murks, wenig Erhellung - Aber einem "Mittelteil" kann man das zur Not verzeihen - siehe hierzu auch die "Star Wars"-Episode "Das Imperium schlägt zurück" oder Peter Jacksons zweiten "Herr der Ringe"-Film."

Jetzt wissen wir also: "The Empire" und "HDR 2" waren Murks ... Bei allem Respekt vor der Anstellung dieses Schreiberlings bei SPIEGEL-Online, aber auf die Meinung dieses Sprücheklopfers gebe ich keinen Pfifferling. "HDR 2" ist (meiner Meinung nach) ein Meilenstein des Fantasy-Films, und "The Empire" ist wohl bis heute noch immer der beste Star Wars-Teil. By the way: Ich habe MATRIX 2 inzwischen dreimal gesehen, und er gefiel mir jedes Mal besser. Natürlich, alles ist Geschmackssache. Ich kann es jedoch nicht ausstehen, wenn Kritiker sich an ihrer eigenen Schreibe dermaßen aufgeilen, dass sie den Boden unter den Füßen verlieren und nicht mehr zwischen ihrer eigenen Meinung und intellektueller Stiefelleckerei unterscheiden können.

Zum Abschluss noch etwas Spaciges: Vorgestern erhielt ich einen Anruf aus Wien. Man bot mir an, an einer vierteiligen Weltraum-Sitcom (!!!+!) mitzuschreiben, die auf einer Raumstation spielt und Ende 2004 im Theater aufgeführt werden soll. Als sogenannter "Supervisor" könne ich, so das Angebot, z. B. die zweite Folge (Drehbuch, Regie, etc.) übernehmen und kreieren. Falls ich also Ideen hätte, solle ich sie doch ruhig schon mal aufschreiben, usw. Nun ja, ich und Sitcom ... Klingt ziemlich gaga, aber auch recht spaßig. Der Verantwortliche für dieses Projekt war zumindest schon mal in den Staaten, im Huston Space Center, und hat vier von diesen blauen Space-Overalls besorgt, die die Astronauten in den Shuttles und auf der ISS tragen. Man meint es offenbar ernst ...

 

1. November 2003


Im Juli 1992 entrollten Astronauten des Space Shuttle Atlantis im Orbit ein 15 Kilometer langes Seil aus Polyethylen. Es war das erste von Menschen produzierte Objekt in Weltraum, das von der Erde aus nicht als Lichtpunkt, sondern als lange, hell leuchtende Linie wahrgenommen werden konnte. Das Besondere an diesem Plastikseil: Chemiker hatten alle Polyethylen-Moleküle in Längsrichtung ausgerichtet. Das Seil war zwar nur 0,5 Millimeter dick, doch dafür dreißig mal so stabil wie Stahl. Es bestand aus dem reißfestesten Material, das es je gab.

In letzter Zeit komme ich immer öfter zu der Überzeugung, das die Geduldsfäden von Schriftstellern aus einem ähnlich strapazierfähigen Material bestehen müssen. Oder zumindest bestehen sollten. Es ist die einzige Möglichkeit, die Verschleppungskünste großer Verlage zu akzeptieren und zu verdauen, ohne dabei zu verzweifeln. Entscheidungen verschieben sich von Woche zu Woche, jeder Verantwortliche muss vorher noch mit irgend einen anderen Verantwortlichen Rücksprache halten, um eine verbindliche Zusage machen zu können, derweil mein Agent fast nur noch damit beschäftigt ist, der entscheidenden Person telefonisch hinterher zu jagen, ohne sie letztlich zu erwischen. So heißt es dann auch immer wieder: "Nächste Woche, Montag oder Dienstag, ganz sicher ..." Und dabei geht es eigentlich nur um ein banales "Ja" oder "Nein" ...

Was lobe ich mir da doch die zurückliegende Zusammenarbeit mit dem Festa Verlag, in der eine Person alle Kompetenzen auf sich vereint und man einfach nur zum Telefon zu greifen brauchte, um zu wissen, woran man war.

Es ist fast schon beruhigend zu hören, das diese Entscheidungs-Wankelmütigkeit im Zeichen der Buchmarktkrise nicht allein auf Deutschland beschränkt ist. Gestern schrieb mir Robin Benatti, der Übersetzer der italienischen Eschbach-Romane und Herausgeber einer seit zwei Jahren überfälligen Anthologie deutschsprachiger Autoren, in der auch zwei Erzählungen von mir enthalten sein werden: "Leider ist die Lage in Italien schlimmer geworden. Die SF-Reihen werden allmählich eingestellt und fast nur im Kiosk verkauft." Bis 2002, so Robin weiter, habe er fast nur Science Fiction übersetzt, seither jedoch nur noch Noir und Thriller. Zumindest er ist zuversichtlich, was die Zukunft der europäischen SF betrifft: "Es sei", meint Robin, "sicher nur der vorübergehende Fluss der Dinge".

 

29. Oktober 2003


115 Manuskriptseiten in sieben Tagen ... Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren, sehe Buchstaben über die Wände krabbeln und träume nachts von fliegenden Computerkeyboards. 115 Seiten ... Für mich, der ich nicht mit zehn Fingern tippe, sondern höchstens mit viereinhalb, entspricht das einem Output, der "unter normalen Umständen" erst nach einem Monat zusammenkommt - falls es gut läuft. Ob das letztlich gesund ist, weiß ich nicht.

Nun soll's aber auch gut ein, eine Pause ist dringend nötig. Daher: Exzess-Mode > off, und ein paar Gänge zurückschalten. Mal wieder einen Fuß vor die Tür setzen. Ins Kino gehen. Alien, the Directors Cut zur Entspannung ...

 

25. Oktober 2003


Nach überstandenem Computercrash und auskurierter Erkältung ging es vorgestern endlich mit "Abydos" weiter - verständlicherweise mit einer gehörigen Portion Wut ob der unfreiwilligen Verzögerung. Ergebnis: Fast 40 Manuskriptseiten in zwei Tagen. Seit heute morgen (4:00 Uhr) ist die 200-Seiten-Marke geknackt. Allerdings entspricht dies gerade einmal einem Viertel des Romankonzepts.

Mittlerweile ist es so gut wie sicher, das die "Imagon"-Taschenbuchausgabe von einem der fünf Cover-Motive geziert wird, die ich letzten Monat zur Ansicht an Lübbe geschickt habe. Dabei handelt es sich um eine Variation des Originaltitelbildes der Festa-HC-Ausgabe. Welches der fünf Motive es sein wird, weiß ich noch nicht. Drei der fünf Versionen gefallen mir persönlich sehr gut, die beiden anderen sind ... nun ja, Alternativen. Ich hoffe, man hat sich für einen meiner Favoriten entschieden ...

Vielversprechende Zeichen kommen indes aus Hellas: Es gibt (Zitat Literaturagent) "hektische Signale aus Griechenland", die selbst Bücher betreffen, die mittlerweile seit Jahren vergriffen sind ("Die Stille nach dem Ton"). Ich bin fast schon beruhigt, dass man nicht sogar meine Homepage ins Griechische übersetzt. So muss sich Eleftherotypia (in diesem Falle der Buchverlag) vorläufig nur mit "Lord Gamma", "Imagon" und einen bunten Strauß Kurzgeschichten zufrieden geben. Interessanterweise lesen die griechischen Lektoren lieber Französisch als Deutsch, so das wohl zumindest "Lord Gamma" aus dem Französischen ins Griechische übersetzt werden könnte. Ich bin gespannt, wie sich diese Zusammenarbeit weiter entwickelt.

 

20. Oktober 2003


Vergangenen Samstag lud Cthulhu Frank Festa seine Shoggothen Freunde und Bekannten zur Einweihungsfeier in sein neues Haus des Horrors nach Leipzig. Eine feine kleine Party, auf der ich seltsamerweise den gleichen Leuten begegnete, die ich bereits während der Frankfurter Buchesse getroffen hatte. Da Déjà-vu-Erlebnisse aber bekanntlich nur Fehler in der Matrix sind, ignorierte ich die geflügelten Schatten hinter den gläsernen Badezimmertüren ebenso wie die Tentakel in der schäumenden Milcheisbowle. Dummerweise saß ich beim Plaudern zu nah an der offenen Balkontür bei den Geigern und Flötenspielern und laboriere nun an einer Erkältung.

 

15. Oktober 2003


Solche Tage liebe ich: Nach all den Irrungen und Wirrungen der letzten vier Wochen setze ich mich heute morgen hochmotiviert an den Computer, um endlich an "Abydos" weiterzuschreiben, drücke den Power-Button ... Ein Blitz, ein Knall, und der Schreibrechner, der jahrelang treu ergeben war, verabschiedet sich mit einem stinkenden kleinen Wölkchen ins Computer-Nirvana. Ich bin sicher, hätte er sprechen können, hätten seine letzten Worte gelautet: "Gell, da staunst du, was?"

Ja, ich staunte. Richtig interessant wurde es allerdings erst, als ich meine Sicherungsdiskette auf dem Internetrechner öffnen wollte und feststellen musste, das sämtliche Textzeichen nur noch in Form kleiner Rauten dargestellt wurden. Eine halbe Stunde lang saß ich scrollend vor dem Bildschirm und bereute den Tag, an dem ich das Rauchen aufgegeben hatte. Mittlerweile liegt die ausgebaute Festplatte (mit drei halbfertigen Romanen) im Regal und wartet darauf, in einem neuen PC ein neues Zuhause zu finden. Bis dahin werde ich wohl auf einem alten, völlig instabilen 4/86er zwei, drei Kapitel schreiben, die irgendwo in der Mitte von "Abydos" spielen.

Noch ein kleiner Nachtrag zum gestrigen Posting: Ich bekam heute mehrere E-Mails, in denen ich gefragt wurde, ob die beiden kommenden Romane tatsächlich die Fortsetzungen zu "Imagon" seien. Klare Antwort: Nein. Es wird definitiv keine Fortsetzung zu "Imagon" geben. Unter 'Trilogie' verstehe ich in diesem Fall lediglich jene drei Romane, die in der SF-Reihe bei Bastei-Lübbe erscheinen werden, bzw. erschienen sind, also "Lord Gamma", "Imagon" und "Abydos".

 

14. Oktober 2003


Fünfzig Wochen lang war ich fest entschlossen, die Buchmesse dieses Jahr nicht zu besuchen. Keine zehn Pferde würden mich nach Frankfurt bringen, so schwor ich mir. Auf keinen Fall! Niemals! Dann, in der 51. Woche, trudelten diverse E-Mails ein - und ließen in unmittelbarer Umgebung meines Computers morphische Felder entstehen; unsichtbare organisierende Strukturen, die unabhängig von Zeit und Raum Verhaltensprozesse stimulieren. Das Resultat: Vergangenen Samstag reihte ich mich pflichtschuldigst in eine der Menschenschlangen ein, die sich vor den Kassen des Messe-Haupteingangs gebildet hatten, und kaufte eine Eintrittskarte ...

Bereits am Abend zuvor hatte die Perry Rhodan-Redaktion zum "Galaktischen Forum" in den 190east-Club eingeladen, laut Mitveranstalter Klaus N. Frick einer der angesagtesten Clubs in Frankfurt. Das Forum selbst hatte sich im Laufe der letzten drei Jahre als Treffen von Profis aus allen Bereichen der deutschen SF- und Phantastik-Szene etabliert. Leider mussten sich die Teilnehmer im Verlauf des Abends in immer verstecktere Räumlichkeiten zurückziehen, da das "normale" Schickimicki-Techno-Dance-Publikum mit fortschreitender Stunde den Club füllte.

Knapp 290.000 Besucher soll die diesjährige Buchmesse gezählt haben. Mindestens die Hälfte davon, so kam es mir vor, drängte sich Samstag Nachmittag durch Halle 3.0. Die meisten Besucher verhielten sich dabei so, als ob sie sich unablässig vorwärts bewegten, selbst wenn sich dies bei näherem Hinsehen als optische Täuschung erwies und die Menschen aus Platzmangel entweder auf der Stelle traten oder einfach nur hin und her wippten und einem beim Vorbeilaufen ins Genick niesten. Nachdem ich mich von ihnen zum Lübbe-Stand hatte schieben lassen, begrüßte mich mein Lektor erwartungsgemäß mit einem verduzten "Was machst du denn hier?" Und als ich mich nach einem erklärenden Plausch endlich durch die gesamte Halle bis zu meinem nächsten Treffpunkt durchgearbeitet hatte, erwartete man mich dort mit den Worten: "Bist du verrückt? Wieso gehst du denn nicht außen rum?" Tja, hätte ich geahnt, dass der Spiegel-Stand sich direkt neben dem gegenüberliegenden Eingang befand ...

Kaum zu glauben: Es gibt in diesem Literatur-Purgatorium dennoch einen fast schon himmlischen Ort. Dort ist es ruhig und friedlich, die Luft ist kühl und sauber, und die wenigen Menschen, die ihn bevölkern, wirken relativ entspannt. Vor allem aber: sie sitzen! Jeder, der diesen sagenumwobenen Ort kennt, wird mir beipflichten: Ein einstündiger Aufenthalt im Agentencenter ist wie Urlaub von der Messe. Endgültig versöhnt mit der Welt wird man, sobald der Literaturagent sagt: "Ich habe nur positive Nachrichten für dich!"

Nun ist es also raus: Der nächste Roman wird tatsächlich laut, bunt, schrill und infernalisch. Wem "Imagon" zu distanziert, zu kühl, zu ernst und zu wissenschaftlich war, dürfte an "Abydos" (so der vorläufige Arbeitstitel des Projekts) wieder seine Freude haben. Mit diesem Roman werde ich meine SF-Trilogie für Lübbe vorerst abschließen, was aber keinesfalls bedeutet, dass der übernächste Roman nicht dem phantastischen Genre zugeordnet werden kann. Er wird jedoch in der allgemeinen Reihe erscheinen und sich schon durch die Erzählstruktur deutlich von seinen drei Vorgängern unterscheiden. Die Veröffentlichungen wie folgt: "Imagon" (Frühjahr 2004, SF-Reihe, TB), "Abydos" (Arbeitstitel, Frühjahr 2005, SF-Reihe, TB), und "Gaia" (Arbeitstitel, Frühjahr 2006, Allgemeine Reihe, eventuell HC)

Mit diesem beruhigenden Wissen ging es am späten Nachmittag schließlich zum Buchmessecon nach Dreieich, um den Phantastik Preis für "Numinos" abzuholen. Vier Kometensplitter stehen nun im Regal - Die Quadratur des Preises. In einem Online-Conbericht ist dazu zu lesen: Der Autor Hadmar Freiherr von Wieser (...) überreichte den Preis an Michael Marrak, der auf seine bereits umfassende Sammlung von dpp-Preisen hinwies. Ab fünf Stück wolle er gerne die kleinen gegen einen großen Preis "in Gold" eintauschen, so der Autor. Es bleibt fraglich, ob die Veranstalter der Verleihung auf diese Idee eingehen werden.

Was haben die morpischen Felder letztlich bewirkt? Unzählige Gespräche mit interessanten Leuten, die ich leider viel zu selten sehe, ein Buchvertrag bis 2006, eine Preistrophäe (auf der endlich mal was drauf steht!) und die obligatorische Grippe, der ich angesichts der Menschenmassen wohl nicht entgehen konnte. Man gönnt sich ja sonst nix.

 

6. Oktober 2003


Im Börsenblatt-Newsletter las ich heute folgende Meldung: Der Berliner Schriftsteller Reinhard Jirgl erhält für seinen Roman "Die Unvollendeten" den Rheingau Literatur Preis 2003. Die Auszeichung ist mit 7700 Euro und 111 Flaschen Rheingauer Riesling dotiert.

111 Flaschen Rheingauer Riesling!

Oh Mann, warum passiert mir sowas nie? 111 Flaschen ... Folgende Fragen bleiben allerdings offen: Will das Preiskomitee den Autor dadurch vom Schreiben weiterer Bücher abhalten? Muß der Preisträger zur Preisverleihung mit einem Gabelstapler vorfahren? Und warum ausgerechnet 111 Flaschen? Ein Blick ins Internet. Aha: Die Zahl 111 galt bei den alten Arabern als Symbol des Narrsinns.

111 Flaschen ... Fünf Monate im Dauerrausch, und wir hätten fast schon wieder Frühling. Wäre so ein Kombi-Preis eigentlich nicht auch für die phantastische Literatur denkbar? Zum Beispiel beim Kurd Laßwitz Preis oder beim Phantastik Award? In der Art von: Die Auszeichnung ist mit 0 Euro und 20 Flaschen Baileys dotiert ...? Hallo ...?

 

30. September 2003


Sobald man an einem Buch arbeitet, ist man hypersensibilisiert für alles, was mit dem Thema des entstehenden Romans zu tun hat. Beim Schreiben von "Imagon" beispielsweise stieß ich in den Medien unablässig auf "Beweise" für die Existenz der "Großen Alten"; seien es Meldungen über mysteriöse Geräusche aus der Tiefsee, auffällige Quallenplagen oder die Entdeckung Jahrzehntausende alter Felsenmonumente vor der Küste Japans. Momentan nehme ich verstärkt Dinge wahr, die mit dem Thema Unterwelt zu tun haben - so auch, als ich vor kurzem in einem Comicshop stand und meinen Blick über die Titelcover wandern ließ. Wer ein Freund phantastischer S/W-Comics und faszinierender Tuschearbeiten ist, den möchte ich auf die Alben zweier Zeichner aufmerksam machen, die aufgrund ihrer Qualität und Außergewöhnlichkeit aus dem Sumpf der Veröffentlichungen herausragen. Da wäre zum einen "Unter Knochen" von Eric Liberge, eine groteske Höllengeschichte, deren Protagonisten ausnahmslos als Skelette umherwandeln und Quecksilber, Säuren und andere Giftstoffe trinken, um sich von der Tatsache ihres Todes abzulenken. Einen besonderen Leckerbissen bilden dagegen die beiden virtuos gezeichneten Alben "Ogoniok und Myetzko" und "Sharaz-De" des italienischen Altmeisters Sergio Toppi, mit unglaublich leichter und fließender Feder gezeichnet und Seite für Seite ein Augenschmaus. Während Liberge über mittlerweile zwei Alben eine zusammenhängende Geschichte erzählt, sind die Toppi-Bücher Sammlungen kürzerer Bildergeschichten. Einziger Wehmutstropfen bei Toppi: Die Alben sind im Digitaldruck hergestellt, was bedeutet, dass die Tuschezeichnungen ein leichtes Raster aufweisen. Dennoch: Wer interessiert ist, sollte unbedingt mal einen Blick in die vier Bände werfen, es lohnt sich!

Liberge Toppi

 

27. September 2003


Nun gibt es also den "grünen" Roman" und den "roten". Ersterer spielt in wilder, wuchernder Natur, letzterer in einer wilden, hektischen Stadt. Nach monatelanger Arbeit plötzlich unschlüssig darüber zu sein, welchem von beiden man den Vorzug geben soll, ist eine ziemlich demotivierende Sache. Liebend gerne würde man das Projekt vorantreiben, das vom Verlag abgelehnt wurde, weil man die letzten Monate damit verbracht hatte, sich in seine Welt hineinzudenken, die Persönlichkeit der Figuren zu entwickeln und liebevoll jene Handlungsschauplätze zu beschreiben, die dem Roman seinen Namen geben. Andererseits möchte man am Alternativroman weiterarbeiten, um sich ein beruhigendes Polster an geschriebenen Manuskriptseiten zu schaffen. Das Resultat dieser verfahrenen Situation ist ein völliges Kreativ-Vakuum, denn beide Schaffenskräfte heben sich gegenseitig auf. Was also anfangen in dieser Möbiusschleife? Wie sich ablenken, die Zeit überbrücken bis zur Entscheidung? Überraschend einfach: Man bekommt wie aus heiterem Himmel die Idee für eine wunderbare Kurzgeschichte!

Eine Kurzgeschichte für jene Storysammlung, die Frank Festa Ende 2004 von mir herauszugeben gedenkt, und bei deren gemeinsamer Planung er ständig erwartungsvoll fragte: "Du schreibst aber schon noch eine neue Story dafür, oder?" Ja, mache ich. Bin schon mittendrin. Mal sehen, vielleicht werden es sogar zwei neue Storys, und ich werfe dafür eine schlechtere ältere aus dem Konzept raus.

 

23. September 2003


Ich blättere gerade in der französischen »Lord Gamma«-Ausgabe, die gestern als Vorab-Belegexemplar bei mir eintrudelte. Schön und groß ist sie geworden. Ich stolz wie Oskar: Meine erste Romanübersetzung! (Bruder Andreas kann darüber sicher nur noch müde lächeln, nachdem es im Ausland inzwischen mehr Bücher von ihm gibt als im Inland ;-)

 

18. September 2003


Mein Besuch bei Lübbe ging über vier Stunden - und verlief leider nicht direkt nach Plan. Der neue Roman, dessen erstes Kapitel ich auf dem Penta-Con in Dresden gelesen habe, sitzt dem Verlag genremäßig "zwischen zu vielen Stühlen", sei weder eindeutig ein historischer Roman, noch eindeutig SF oder Phantastik. Im Verlagsprogramm sehe man daher für das Buch (von dem ich zum Glück erst 100 Seiten geschrieben habe) augenblicklich keine Chance.

Zu meiner Überraschung ist Lübbe statt dessen an einem Projekt interessiert, das eindeutig in die SF-Reihe passt und an dem ich parallel seit Februar arbeite. Es ist laut, es ist bunt, es ist schrill, es ist rasant und absolut infernalisch - zugegeben, ein herber Kontrast zum Vorgängerprojekt. Aber SF! Zumindest bedingt. Habe die Freiheit, mich mit diesem Roman nochmal so richtig austoben zu dürfen, ehe ich das Buch schreibe, an das ich mich aufgrund seiner Handlungskomplexität bisher nur sehr vorsichtig herantaste. Muß mich dennoch erst mal neu orientieren. Heute gingen die ersten sieben Kapitel des besagten Alternativromans (dessen Titel ich vorläufig noch nicht verrate) an den Verlag. Nun heisst es: abwarten. Vielleicht ist er ihnen ja zu laut, zu bunt, zu schrill, zu rasant und zu infernalisch ... ;-)

Zudem habe ich gestern sechs verschiedene Cover-Entwürfe für die Imagon-Taschenbuchausgabe an Lübbe geschickt. Mal sehen, ob's gefällt. Ende des Monats weiß ich mehr.

 

15. September 2003


Nochmal ein Beitrag meiner Lieblingsübersetzungsmaschine: Die Meinung eines französischen Rezensenten über meine 2001 in der Edition L'Atalante erschienene Erzählung "Quo vadis, Armageddon?", natürlich wieder "ins Deutsche" übertragen von Babelfisch: "Aufzunadeln: Marrak. Ein Text, der mich besonders geregnet und interpelliert hat. Inhalt: Verhing, die Erde war rasiert. Er bleibt mehr nichts ... ha, wenn. Ein Vergessen oder eher ein Vergessener. Einzig. Der letzte Mensch, der sich für Gott nehmen könnte."

Das ist fast schon wieder Poesie. Ach ja, wie war das noch damals in Babylon ...?

Der 6. November wird übrigens ein interessanter Tag. 1) Matrix 3 kommt ins Kino. 2) Myst 4 "URU" erscheint. Lecker Geburtstagsgeschenke.

 

10. September 2003


Vor kurzem stieß ich in einem Testbericht-Forum durch Zufall auf die folgende Aussage eines Rezensenten: Imagon sei ein wunderbares Werk, dessen Ablehnung er durchaus nachvollziehbar finde: Es sei dokumentarisch kühl und von einer handwerklichen Sorgfalt, die gerade in einem deutschen Phantastik-Roman offenbar noch immer verwirre.

Diesen letzten Satz muss man sich als Autor erst ein paar Mal über die Zunge gehen lassen, ehe man ihn begreift. Eine handwerkliche Sorgfalt, die in einem deutschen Phantastik-Roman noch immer verwirrt.
Paff!

Ehe ich näher darauf eingehe, möchte ich kurz von zwei Treffen mit zwei anderen Phantastik-Autoren berichten. Der eine, früher für die Bastei-Serien Mitternachtsroman und Jerry Cotton tätig, erzählte mir vor kurzem, er wäre in einer Buchhandlung auf einen neueren Taschenbuch-Bestseller gestoßen, der mittlerweile in der 17. Auflage vorläge. Der Text jedoch sei in einem Stil verfasst, der es damals nicht einmal durch das Jerry Cotton-Lektorat geschafft hätte. Und der andere behauptete bei einem gemeinsamen Essen nach der Lektüre von Imagon, ich hätte mit dem Roman »Perlen vor die Säue geworfen«. Damals schmunzelte ich über diese Bemerkung, wenngleich sie mich ein wenig verärgerte. Doch inzwischen ...

Sollte der Mann letztendlich Recht behalten? Hätte ich Imagon vielleicht viel mehr »aufs Papier rotzen«, ihn in sechs Monaten anstatt in zwei Jahren »runterhauen« sollen? Oder habe ich einfach nur zwei Jahre meines Lebens in einen Roman investiert, der mich nicht wirklich weiter bringt? Hätte ich zwei der drei Lektorate weglassen und nicht so sehr auf Stil, Logik und Satzästhetik achten sollen, damit es dem Leser-Niveau entspricht, für das es diversen Aussagen zufolge geschrieben wurde? Für Lovecraft-Fans? Für Phantastik-Leser? Nein!

Lastet das Erbe der Trümmerliteratur wirklich so sehr auf uns? Sind wir so tief im Heftchenroman-Niveau verwurzelt und im Trivialen versunken, dass es beinahe schon einem Warnhinweis für intellektuell leicht überforderte Leser gleichkommt, wenn man in Rezensionen zu Imagon hinweist, dass das Buch »in wohl gesetzten Worten« geschrieben sei?

Ich erinnere mich an die späten siebziger Jahre, als der Rap Einzug hielt in die Musikwelt und in die Charts. Die jeweils neuesten 7''-Singles hingen damals im Elektrogeschäft neben der Bushaltestelle, von der aus ich zur Schule fuhr, im Schaufenster aus. Auf der ersten Single des Rappers Kurtis Blow prangte damals ein gelber Aufkleber, auf dem in dicken Lettern stand: Vorsicht, Rhythmus!

Muss man vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft auf Büchern einen Warnhinweis anbringen: Vorsicht, handwerkliche Sorgfalt! Vorsicht, Niveau! Oder ein Literatur-Prüfsiegel der FSK mit den Aufschriften: Ab IQ 80, ab IQ 100, ab IQ 120? Wer muss sich hier wem anpassen? Die Leser den Autoren, oder umgekehrt? Oder heißt es einfach nur, eine Schnittmenge zu finden, einen gemeinsamen Horizont, auf dem beide Parteien in Harmonie und Eintracht einher wandeln?

Der Bestsellerautor und Neurologe Oliver Sacks (Zeit des Erwachens und Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte) schrieb einmal, die intellektuelle Kluft zwischen einem hoch- und einem durchschnittlich intelligenten Menschen sei unermesslich viel größer als die zwischen einem durchschnittlich intelligenten und einem geistig behinderten. Aber: Ein hyperintelligenter Mensch gewinne paradoxer Weise schneller zu einem geistig behinderten Menschen Zugang als zu einem durchschnittlich intelligenten.

Wohlgemerkt, das ist ein Zitat, keine Rechtfertigung oder gar eine Beleidigung des Lesers! Sicher ist jedoch: Ich werde auch in Zukunft auf verwirrende handwerkliche Sorgfalt achten.