Morphogenesis

History

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Klage zu Morph Die Geschichte von Morphogenesis begann im Herbst 2003 während eines Besuches im Lübbe-Verlag. Besser gesagt: Sie begann mit zwei Hiobsbotschaften. Die erste betraf meinen Roman Imagon: Ursprünglich als Taschenbuch in der Allgemeinen Reihe geplant, wurde es nach schlechten Verkaufszahlen der ebenfalls in der Allgemeinen Reihe erschienenen Lovecraft-Anthologie Hüter der Pforten "vorsichtshalber" zurück in die SF-Reihe gesteckt. Die Genre-Verschiebung warf meine gesamten Pläne über den Haufen, denn zu dieser Zeit schrieb ich bereits seit Monaten an einem Roman, der ebenfalls für die Allgemeine Reihe konzipiert war.
    Als ich meinem Agenten Mitte 2003 das Skript dieses Projektes nebst Exposé vorstellte, stieß die Story auf ebensoviel Überraschung wie Begeisterung und ermutigte mich, weiterzumachen. Als die Agentur den Roman, der zum damaligen Zeitpunkt zu einem Drittel fertig war, schließlich meinem Lektor schickte, war dieser zur Verwunderung aller gar nicht so angetan davon. Er meinte, der Stoff säße ihm angesichts der angespannten Buchmarktlage genremäßig zwischen zu vielen Stühlen. Obwohl die Geschichte um das Jahr 1900 spielt, sei sie weder eindeutig ein historischer Roman, noch eindeutig SF oder Phantastik. Im Verlagsprogramm sehe man für das Buch daher keine Chance und verschob es auf unbestimmt Zeit.
    Zwar war besagtes Projekt ähnlich wie Imagon im Wissenschafts-Horror-SF-Bereich angesiedelt, doch Lübbe wollte für 2005 unbedingt einen Roman, der eindeutiger in ihr SF-Programm passt. Ich erklärte Stefan Bauer, dem verantwortlichen Lektor der SF-Reihe, etwas gänzlich Neues könne ich (schon aufgrund der noch immer währenden Probleme mit meinem Handgelenk) innerhalb so kurzer Zeit nicht abliefern. Das einzige, was ich ihm anbieten könne, wäre eine stark überarbeitete Neuversion meines Romans Die Stadt der Klage, an der ich bereits seit längerer Zeit (im Grunde bereits seit vier Jahren) nebenher sporadisch arbeite und die zur Hälfte fertig sei.
    Stark überarbeitete Neuversion bedeutet, dass der Roman, was Motiv, Konzept und Handlungsbogen betrifft, eine völlig neue Geschichte beinhalten wird - oder besser gesagt: Er wird wieder zu dem, was er einst war.
    Ursprünglich sollte Die Stadt der Klage 1997 und 1998 als Zweiteiler erscheinen, mit den Subtiteln Lament und Legion. Dies scheiterte am schmalen Budget der Edition Mono, so dass ich für die damalige Veröffentlichung die eigentlich weitaus längere Geschichte zu einem Einzelband zusammenstreichen musste. Hinzu kam, dass die Herausgeber vorzugsweise einen Roman im Stil von William S. Burroughs' Naked Lunch gesehen hätten, gefüllt mit wuchtigen Bildorgien, wodurch das Endprodukt schließlich wie ein Episodenroman daherkam, sehr befremdliche Liebesszenen enthielt, diverse Kapitel an der falschen Stelle zu stehen schienen und das Ende mehr als abstrus wurde. Nicht einmal das Cover konnte aus Kostengründen vierfarbig gedruckt werden. Um einige der gestrichenen Kapitel des zweiten Teils nicht gänzlich verloren zu geben, erarbeitete ich aus ihnen die Novelle Bruder Oz (erschienen in meiner Novellensammlung Die Stille nach dem Ton) und vermengte sie mit ideologischen Ansätzen aus George Orwells 1984.
    All das erklärte ich also Stefan Bauer, und auch, dass die besagte Neuversion doppelt so umfangreich sein würde wie das Original von 1997. Als ich ihm zudem die grobe Handlung des Romans schilderte, outete Stefan sich als begeisterter Leser von Larry Niven und Jerry Pournelles Das zweite Inferno. Ich meinte, na dann würde ihm der Roman zweifellos gefallen, und die Sache kam ins Rollen. Eine Woche später schickte ich ihm die ersten drei Romankapitel zur Ansicht. Er las sie und sagte zu meiner Überraschung: "Yap, machen wir!"
    Für mich geht mit der stark überarbeiteten Neuversion (und Quasi-Wiederveröffentlichung) von Die Stadt der Klage ein langjähriger Wunsch in Erfüllung; vor sieben Jahren war es nämlich ausgerechnet Stefan Bauer gewesen, der den Originalroman abgelehnt hatte. Ich selbst wollte nach Imagon, dessen Handlung bereits auf meiner Novelle Der Eistempel beruht, keinesfalls schon wieder altes Essen aufwärmen. Aus diesem Grund entstanden neben den umfangreichen inhaltlichen Änderungen der alten Fassung über 250 Manuskriptseiten an neuem Material. Leider wird es auch diesmal kein Zweiteiler, sondern ein dicker, in sich abgeschlossener Einzelband. Morphogenesis beinhaltet jedoch erstmals die vollständige Geschichte um Hippolyt Krispin und besitzt - selbst wenn man es zu Beginn nicht vermuten mag - einen weitaus intensiveren SF-Hintergrund als das Original.

© Michael Marrak 2004. Dieser Text erschien als leicht gekürzter Vorabdruck in der Anthologie Stadt, wohin?, dem Begleitbuch zum Elstercon 2004.


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